Erzähler und Erzählung im Nibelungenlied Obwohl wir zurzeit nicht wissen und nicht wissen können, wer das Nibelungenlied verfaßte, können wir doch anhand dieses Textes den Begriff des Erzählers und der Erzählung analysieren. Dieses komplexe erzählerische Werk enthüllt bei näherer Betrachtung typische mittelalterliche Merkmale (Unfähigkeit, die Schönheit der Dinge richtig zu beschreiben, Beteuerung des Wahrheitscharakters dessen, was „gesagt“ wird, Rückgriff auf die Quellen, zum Beispiel) und die Tatsache zugleich, daß der Erzähler sich seiner Erzählertätigkeit und - kunst bewußt ist (Spiel mit dem Unwissen und dem Wissen). Die mündliche Überlieferung wird ständig behauptet, der Spielmann wird durch mehrere Gestalten verkörpert, die als Doppelgänger des Erzählers betrachtet werden können. Der Erzähler spielt meisterhaft mit den Figuren, den Quellen, der Form. So kann der Erzähler mit einem Regisseur verglichen werden, das Werk mit einem Theaterstück, das so zu inszenieren wäre. Die Gattung eines solchen Textes wie die Gattung jedes mittelalterlichen Textes ist schwer definierbar, wäre vielleicht anhand der Betrachtung der Beziehungen zwischen Erzähler und Erzählung neu zu definieren.