L’utopie en guerre. Das große Wagnis de Max Brod
Abstract
Max Brods 1917/18 verfasster utopischer Roman Das große Wagnis fabuliert nicht etwa von einer harmonischen Friedenszeit, sondern versetzt sein gesellschaftliches Experiment mitten in den Krieg. Dadurch spielt der Konflikt nicht nur eine zentrale Rolle im deskriptiven, sondern auch im narrativen Gefüge, das den bis dahin gängigen Manichäismus des utopischen Romans aushebelt und damit die zeitgenössischen moralischen Grauzonen umso deutlicher herausarbeitet. So wird der Roman zu einem denkerischen Versuch, der nicht nur die Unmöglichkeit schildert, sich in vermeintlich neuartigen gesellschaftlichen Strukturen aus dem Weltkrieg hinauszuphantasieren, sondern auch den politisch-ideologischen Standpunkt des Autors kritisch in Frage stellt. Weder reine Utopie noch reine Antiutopie negiert Brods Roman kollektive Lösungsvorschläge jeglicher Art, denn das Kollektiv des Kriegs führt generell kollektive Paradigmen ad absurdum. Als Gegenfigur zu einer im Krieg nicht hintergehbaren Realität der Selbstzerstörung erscheint letztlich ein zwar programmatisch diffuser Messianismus, der aber dem Individuum zumindest das wiedergibt, was im Krieg radikal verlorengegangen zu sein scheint, und zwar einen individuellen Lebenssinn.