Wie glaubwürdig ist die österreichische Neutralität? Innen- und Außenwahrnehmung seit 1955
How credible is Austrian neutrality? Internal and external perception since 1955
Résumé
Dieser Artikel stellt die Frage nach der Glaubwürdigkeit der österreichischen Neutralität und wie sie innerhalb und außerhalb der österreichischen Grenzen wahrgenommen wird. Die Neutralitätspolitik ist zwar eine innerösterreichische Angelegenheit, aber die Neutralität bedingt den völkerrechtlichen Status der Zweiten Republik und bezieht sich auf zwischenstaatliche Beziehungen. Infolgedessen ist das, was das Ausland von der Neutralität wahrnimmt, auch wichtig für die internationale Stellung und Strategie Österreichs. Seit der Erklärung der immerwährenden Neutralität Österreichs am 26. Oktober 1955 hat es mehrere Auffassungen der österreichischen Neutralität und ihrer Rolle in der Sicherheitspolitik gegeben, deswegen verfolgt der Artikel einen diachronischen Ansatz. Zuerst wird auf die Diskussionen anlässlich der Erklärung der Neutralität und auf die von vielen Staaten geteilte Befürchtung, ein neutrales Österreich könnte zum Trojanischen Pferd in Europa werden, fokussiert. Anschließend wird auf die „aktive Neutralitätspolitik“ Österreichs eingegangen: Trotz diplomatischer Erfolge, die unter anderem Bruno Kreisky zu verdanken waren, gab es fortbestehende Zweifel an der Fähigkeit Österreichs, seine Neutralität und sein Territorium effizient zu verteidigen. In einem dritten Teil werden die Rolle der Neutralität in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit den 1990er Jahren und der Vorwurf untersucht, Österreich sei ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer innerhalb der Europäischen Union.
This article raises the question of the credibility of Austrian neutrality and how it is perceived within and beyond Austria's borders. Although the policy of neutrality is an internal Austrian matter, neutrality determines the status of the Second Republic under international law and applies to interstate relations. As a result, what foreign countries perceive of neutrality is also important for Austria's international position and strategy. Since the declaration of Austria's perpetual neutrality on 26 October 1955, there have been several interpretations of Austrian neutrality and its role in security policy, which is why this article takes a diachronic approach. First, it focuses on the discussions surrounding the declaration of neutrality and the fear shared by many states that a neutral Austria could become Europe's Trojan horse. Austria's "active neutrality policy" is then discussed: Despite diplomatic successes, which were due to a large extent to Bruno Kreisky, there were persistent doubts about Austria's ability to effectively defend its neutrality and territory. In a third part, the role of neutrality in security and defence policy since the 1990s and the accusation that Austria is a security policy free rider within the European Union are examined.